Forecast verkündet die Kandidaten der dritten Edition
Forecast freut sich, die Teilnehmer der diesjährigen Ausgabe des Forecast Forums verkünden zu dürfen. 18 Projekte wurden aus über 390 Einsendungen aus aller Welt ausgewählt. Die sechs ausgezeichneten Mentoren der dritten Auflage von Forecast haben jeweils drei Projekte ausgewählt, die sie in den folgenden Monaten begleiten werden. Der Höhepunkt ist ein Wochenende aus Präsentationen im Rahmen des Forecast Forums, am Haus der Kulturen der Welt vom 11.–12. Mai 2018.
Zum Abschluss der Veranstaltungen wird jeder Mentor ein einziges Projekt auswählen, welches er oder sie in enger Zusammenarbeit weiter begleiten wird. Das Ergebnis dieser Kollaboration wird beim Forecast Festival am HKW vom 12.–13. Oktober 2018 zu sehen sein.
Die Kandidaten für die verschiedenen Disziplinen
und ihre Mentoren
Living Matter: Laura Lima
Arthur Ban (BI); Saverio Cantoni (IT); Vanessa Brazeau (CA)
Invasive Design: Tulga Beyerle
Corina Angheloiu (RO); Commonplace Studio (CA, NL); Anais Borie, Aram Lee & Ottonie von Roeder (FR, KR, DE)
Beyond Radio: Peter Meanwell
Julia E Dyck (CA); RADIOEE.NET (US, AR); Emiddio Vasquez (CY)
Moving Image: Omer Fast
Eliane Esther Bots (NL); María Molina Peiró (ES); Omar A. Chowdhury (AU)
Composition: Holly Herndon
HIBOTEP (ET); Jessika Khazrik and The Society of False Witnesses (LB); MIIIN (KR)
Looking: David Elliott
Anna Ridler (UK); Sarah Naqvi (IN); Abhijan Toto (IN)
Zu den individuellen Konzepten
Living Matter
Aus seiner Arbeit für die NGO Umunyinya heraus, welche das Leben von Straßenkindern in seiner Heimat Burundi verbessern will, schlägt Arthur Ban ein Konzept für Prävention vor. Unter dem Titel Urubumbiro, benannt nach einer Feuerstelle, um die sich früher die Familien versammelten und sich unterhielten, entwirft Ban ein Serienformat für Radio und beleuchtet damit, wie Kinder in einer Familienstruktur unterstützt werden. Es ermutigt zu Familienplanung, um den verheerenden Auswirkungen von Überpopulation entgegenzuwirken.
Der in Berlin lebende Saverio Cantoni konfrontiert uns mit einem provokativen Rätsel: Wie werden in einem post-humanen Zeitalter die Medien und künstlerische Ausdrucksformen aussehen? Ein paradigmatischer Wechsel in den Darstellungsformen kommt auf uns zu, der laut Cantoni die Art und Weise verändern wird, wie wir Perspektive, Symbolismus und Technologie denken, und der Mensch und Maschine trennen wird.
Wie sähe der DAX Index als Bewegung aus? Vanessa Brazeaus Projekt entwirft einen kompletten Workout auf der Basis der Fluktuationen an der Börse. Die Übungen ihrer Fitness-Klasse reagieren auf die scheinbare Beliebigkeit der Weltmärkte mit Gesten und körperlichen Aktionen, und zielen darauf ab, ein eigenmächtiges und weitgehend undurchsichtiges System für ein breiteres Publikum greifbar und zugänglich zu machen.
Invasive Design
In ihrem Projekt Future Forensics fordert Corina Angheloiu, das Museum radikal neu zu denken: ihr zufolge muss eine Institution, die im Zeitalter des Holozäns entstanden ist, heute neue Wege und Antworten finden auf den beschleunigten und vernetzten Kontext des Anthropozäns. Ihre Investigation ist auf die Frage ausgerichtet, wie das Museum sich von einem Ort des kuratierten Geschichtenerzählens zu einem Ort der Produktion und der Zukunftsentwürfe entwickelt.
Die kollaborative Arbeit von Commonplace Studio – geleitet durch Jon Stam & Simon de Bakker – schlägt eine kritische Alternative zu traditionellen Formen der museologischen Präsentation vor. Unter dem Titel Backchannel Tools sucht ihr Konzept in das Museum als einen Ort der Wissensproduktion einzudringen und darin Veränderungen vorzunehmen, dabei Leitideen folgend wie ,vom Text an der Wand zum Hypertext’, ‚vom Archiv zum aktiven Erinnern‘, und ‚vom Besucher zum Teilnehmer‘.
Anais Borie, Aram Lee, und Ottonie von Roeder arbeiten als Trio, um eine Reihe von Aktivitäten zu entwickeln, die sich einzelnen Objekten einer Sammlung widmen. Gegenstände, die ansonsten in Depots lagern, werden hervorgeholt. Der soziale, politische und kulturelle Kontext ihrer Entstehung sowie die Bedingungen, unter denen sie in die Sammlung eingegangen sind, werden neu befragt und aus einem zeitgenössischen Blickwinkel untersucht.
Beyond Radio
In ihrem Projekt Frequency Interference wird Julia E Dyck ein experimentelles Science-Fiction-Drama für das Medium Radio entwickeln, live performen und übertragen. Mit den Mitteln der Live-Musik, des gesprochenen Worts und aufgezeichneter Geräusche möchte sie die ‚soundscapes’ der Zukunft erforschen sowie die Kraft der entkörperten Stimme.
Die Co-Produzentinnen von RADIOEE.NET, Agustina Woodgate and Stephanie Sherman, werden sich in das Feld der Radiowellen begeben, welche Signale zwischen physischen und virtuellen Gegenständen austauschen, ein Netzwerk an Daten, das auch als ‚Internet der Dinge‘ bezeichnet wird. In Everything Speaking / Alles spricht wird diese nicht-menschliche Kommunikation hörbar gemacht für das menschliche Ohr, um die nahe Zukunft aus konstanter Kommunikation zwischen den Dingen zu kanalisieren.
Wie beeinflusst der Raum die Geselligkeit? In seinem Projekt insofar as will Emiddio Vasquez die Verbindungen zwischen gemeinschaftsstiftenden Prozessen und den Orten, an denen sie entstehen, untersuchen. Seine Arbeit nimmt die Form einer Sound Installation an, die zur Partizipation einlädt und FM Transmitter und FM Radios nutzt.
Moving Image
Eliane Esther Bots Projekt The Channel konzentriert sich auf die prägende Erfahrung der Übersetzer am Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag und ihre Position als ‚Medium und Kanal‘ zwischen Sprecher und Zuhörer, Opfer und Täter, dem Gericht und den Teilnehmenden.
Die Künstlerin und Filmemacherin María Molina Peiró lädt den Zuschauer ein, die Rolle des Vergessens im Prozess der Erinnerungsbildung zu überdenken – sei es auf individueller oder kollektiver Ebene. Ihr Film The Refuge spielt im spanischen La Mancha und folgt einer alten Frau, die sich obsessiv mit dem Spanischen Bürgerkrieg beschäftigt, einem Mädchen, das zwanghaft filmt, sowie einer Gruppe von Bunker-Jägern, die mithilfe von GPS Technologie verlorene Überbleibsel des Krieges finden wollen.
Omar A. Chowdhury begibt sich mit seinem Projekt Augustijn in die Meta-Geschichte eines jungen Islam-Konvertiten in der postindustriellen Stadt Aalst und die spiegelbildliche, komplexe Beziehung zwischen ihm und dem Autor, einem „ketzerischen“ muslimischen Künstler. Beide finden sich in in einer Situation wieder, wo sie von der Gemeinschaft ausgegrenzt werden, die sie erzeugt hat. Die Theorien über Konversion, das Überschreiten von Schwellen und Identitäten und eine radikale Politik, welche in der Religion oder im Agnostizismus gründet, werden eingewoben in eine Narration, die durch eine instabile Para-Fiktion charakterisiert ist.
Composition
Hibo Elmi hat ihre Basis in Kampala, Uganda und arbeitet im Bereich elektronische Musik. Als DJ tritt sie unter dem Namen HIBOTEP auf großen Festivals in ganz Ostafrika auf. Für ihr Projekt mit dem Titel Ninjabis ermutigt sie ihr Publikum, sich von Stereotypen zu lösen, Erwartungen aufzugeben und stattdessen das noch Unbekannte zu erfahren, mit Hilfe dessen, was sie als Ninjabis tituliert, „die blasphemischen musikalischen Terroristen“.
MY COMMUNICATION IS NOT WORK ist der Titel einer Komposition von Jessika Khazrik and The Society of False Witnesses. Das immersive stimmbasierte Stück benutzt Datensammlungen des Maschinenlernens aus der Sprachrekonstruktion, Software zur Gesichtserkennung, Methoden der semantischen Segmentierung sowie das ‚Natural Language Processing, um den kryptischen Zusammenhang zwischen Sprache und Technologie, die Allgegenwart der Medien und die politischen Implikationen von ‚Stimme‘ heute zu erkunden.
Die Musikerin und Soundkünstlerin Jeongmin Jeon, AKA MIIIN, wird einen Soundtrack für die posthumane Zukunft entwickeln. Aber MIIIN betrauert nicht, dass die menschliche Rasse aussterben wird. Stattdessen preist sie es mit einer Musik, die ihre eigene Sprache nutzt, unter dem Titel Xenomiiin.
Looking
In ihrem Projekt Art in an Age of Computational Creativity betrachtet Anna Ridler die Tatsache, dass mehr und mehr Künstliche Intelligenz in der Herstellung von Kunst genutzt wird, es aber kaum eine Sprache gibt, um darüber im Kontext Bildender Kunst zu sprechen. Entscheidet sich ein Künstler, ein Bild oder ein Werk zu produzieren und maschinelles Lernen dazu zu nutzen, wird der Betrachter mit einer vollkommen anderen Erfahrung, geschichtlichen Dimension sowie einem neuen Kontext konfrontiert, den es zu berücksichtigen gilt. Was sind diese Assoziationen, und wie könnten sie genutzt werden?
Sarah Naqvi stellt eine Serie kritischer Arbeiten vor, die polarisierende kulturelle und religiöse Praktiken kommentieren, welche Wellen von Gewalt in ihrer Heimat Indien in den vergangenen Jahren ausgelöst haben. Geschichtlich waren die indische Gesellschaft und auch der Hinduismus als Religion mit Werten wie Toleranz, Mitgefühl und einer Haltung des ‚Leben und leben Lassens‘ assoziiert. Aber in dem schwierigen sozialen Klima, das die derzeitige Regierung befördert hat, wird selbst ein harmloses Thema wie Ernährungsvorlieben zu einem gefährlichen Streitpunkt.
Kann Erschöpfung ein produktives Potenzial in sich tragen? Abhijan Toto will in seinem kuratorischen Projekt die Möglichkeiten erforschen, wie Erschöpfung neu gedacht werden kann. In einem Zeitalter der Burnouts und leistungssteigernden Mittel schaut Toto auf Praktiken, die Erschöpfungszustände dazu nutzen, um das Unmögliche zu erreichen. Er betrachtet die andere Seite eines Phänomens, welches unsere Gesellschaft als negativ bewertet.